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„Daß unsere kleine Musikschar eine sehr Leidenschaftliche ist, die mit aller Energie dabei ist“


Der Musikverein Rutesheim befindet sich in der glücklichen Lage, über seine Anfänge sehr gut unterrichtet zu sein: Es sind alle Versammlungsbücher seit dem Gründungsjahr 1921 enthalten. Kein einziges Buch ist beschädigt und es gibt kaum chronologische Lücken. Weder die nationalsozialistische Schreckensherrschaft noch die Wirren des Zweiten Weltkriegs sorgten für Verluste dieser Chroniken. Ganz im Gegenteil: Neben den Passagen, die als tatsächliche „Sitzungsprotokolle“ gelten können, finden sich viele Textstellen, die sich auf das Vereinsleben beziehen. Menschliche Konflikte, Probleme bei der Beschaffung von Noten oder Schwierigkeiten bei der Organisation von Festen fanden regelmäßig Eingang in die Aufschriebe. Dieser Vorteil soll im folgenden Verwendung finden: Immer dann, wenn die Schrift kursiv wird, lassen wir die Persönlichkeiten direkt zu Wort kommen! Die erste Eintragung im ältesten Versammlungsbuch des Musikvereins Rutesheim wurde am 20. Februar 1921 vorgenommen und dokumentiert die konstituierende Sitzung, die im Gasthaus Adler stattfand. Der Musikverein ist damit einer der ältesten Vereine in Rutesheim. Zugleich liegt das Geburtsdatum des Vereins in einer Zeit politischer Dauerkrisen infolge des ersten Weltkriegs.

Die Entstehung eines Musikvereins war um das Jahr 1920 herum im Altkreis Leonberg keine Besonderheit. In Heimsheim etwa wurde 1919 die heutige Stadtkapelle gegründet. Der Musikverein Höfingen trägt das Geburtsjahr 1925. Die ersten Mitglieder waren zuvor aus dem Posaunenchor ausgeschlossen worden, da die Mitgliedschaft dort zugleich den Besuch einer Tanzschule ausschloss. In Rutesheim gab es bis 1921 außer dem Posaunenchor kein weiteres Orchester. Dies änderte sich erst, nachdem Paul Schlitter nach dem Ersten Weltkrieg nach Rutesheim gezogen war. Bereits in seiner Heimatstadt Feuerbach in der hiesigen Stadtkapelle als auch in der Regimentskapelle der Königin Olga von Württemberg hatte er bis dahin schon viele Jahre musiziert. Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, wenn er einen Zusammenschluss mit dem Posaunenchor ablehnte und auf „weltliche“ Musik bestand. In Rutesheim bestand seine Aufgabe darin, den Musikanten zunächst einmal Notenlesen und Grundzüge im Umgang mit den Instrumenten beizubringen. Diese Musikanten wohnten überwiegend in der Hofrainstraße und der Renninger Straße und waren somit alle Nachbarn Paul Schlitters, u.a. Peter Seible, Hans Seible, Karl Schwarz, Otto Duppel, Richard Duppel, Rudolf Duppel, Gustav Bolay, Gustav Philippin, Gottlieb Kühnle, Fritz Betsch und Gottlob Philippin.


In den folgenden Jahren ging es darum, dem Verein ein „Gesicht“ zu geben. Zur Organisation veranstalteten die Mitglieder vierteljährlich Quartalsversammlungen in verschiedenen Wirtshäusern, und zwar „je nach dem sich Wirte im Verein befinden auch dementsprechend die Quartalsversammlung abhalten“, d.h. die Wahl des Lokals hing von der Mitgliedschaft von Wirten im Musikverein ab. So fand die Quartalsversammlung vom 8. Juli 1921 im Ochsen statt, da der Ochsenwirt Duppel beigetreten war. Bereits bei der ersten Ausschusssitzung am 2. April 1921 wurden wichtige Weichen für die Zukunft gestellt. Wer in den MV eintreten wollte, musste zunächst drei Mark beisteuern. Der Monatsbeitrag für passive Mitglieder wurde auf 50 Pfennige festgelegt; Aktive und Jugendliche, die damals noch „Zöglingsmitglieder“ genannt wurden, mussten 30 Pfennige im Monat entrichten. Desweiteren wurde beschlossen, Noten einzukaufen und Vereinsstatuten zu bestellen, jeweils 100 Stück. Für den Notenkauf wurden dem neuen Vereinsdiener Johannes Seible 100 Mark gewährt. Leider geht hieraus nicht hervor, wie viele Mitglieder oder Musikanten der Verein tatsächlich hatte. Später wurde beschlossen, Beitragsbücher bereitzustellen, um diese mit Marken zu bekleben. Neue aktive Mitglieder sollten 450 Mark für Instrumente bezahlen; der Verein selbst gab 750 Mark dazu. Mit der Aufnahme ins Vereinsregister durfte zukünftig die Bezeichnung „Musikverein Rutesheim e.V.“ geführt werden. Die Mitgliedschaft im Bezirksverband, dem heutigen Blasmusikverband Baden Württemberg, erfolgte erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1921. Nicht zuletzt wurde der Verein in seinem ersten Jahr zur Unterhaltung auf Feste nach Leonberg und Eltingen eingeladen. Interessant ist hierbei der Vermerk, dass in Leonberg „vom Preis spielen abgesehen wurde“, jedoch ohne Gründe zu erwähnen. War der junge Verein musikalisch noch nicht so weit? Oder waren es schlicht zu wenig Musikanten für einen Wettbewerb?


Ferner wurden erste Überlegungen zu einem ersten Vereinsausflug mit den Stationen Teinach, Calw, Hirsau und Liebenzell angestrengt. Der Ausflug sollte an Christi Himmelfahrt, also am 5. Mai 1921, stattfinden. Die Tradition der Vereinsausflüge sollte noch viele Jahre Bestand haben. Besonders auffällig ist dabei der unbegründete Vermerk, dass „sich bei diesem Ausflug sämtliche weltlichen Vereine anschließen“ dürften. Ob dies auf eine geringe Mitgliederzahl oder doch auf einen Gegensatz zwischen Musikverein und kirchlichen Einrichtungen hindeutet, geht aus den Büchern nicht hervor. Der Ausflug scheint zumindest ein Erfolg gewesen zu sein. Schon am 31.7.1921 wollte der Musikverein ein Kinderfest am Flachter Tor veranstalten. Es wurde ein Unterhaltungsprogramm erstellt, wobei sich „unser Dirigent Paul Schlitter freiwillig dazu hergibt und mit den Kindern einen Reigen macht“. Jedes Kind sollte zwei Brezeln erhalten. Daneben wurde ein „Glückshafen“ (Losbude) gestellt, „was die Leute zur Unterhaltung bringt“. In insgesamt 1500 Röllchen wurden 100 Gewinne versteckt – welche Preise wohl gewonnen werden konnten? Für die Organisation des Festes wurde ein „Postkomitee“ gegründet zur „Instandsetzung des Festplatzes sowie für Materialbeschaffung und Zubehör“. Bei der Brauerei Streichler wurden 500 l Bier und 250 Limonaden bestellt, ferner wurden 100 „Wurstwaren“ eingekauft. Das Personal am Bierschank bedurfte wohl besonderer Obacht; die drei Personen wurden von einer Versammlung extra hierfür gewählt.


Letztlich fand das Fest erst im August auf der Steige statt. Ein Festzug, Musik und Aufführungen umrahmten die Feier, „was die Anwesende gleichzeitig zur Unterhaltung brachte“. Abends fand das „Festbankett“, also die Ausgabe von Speisen und Getränken, statt, „wobei sich zahlreicher Besuch gefunden hat“. Der finanzielle Erlös erlaubte es, einem Mitglied den Auftrag zu erteilen, mit 200 Mark „Instrument und Notenschuhl“ zu kaufen. Der Schriftführer scheint mit dem ersten Fest durchaus zufrieden gewesen zu sein, wie auch sein schriftliches Fazit verrät: „Das Fest verlief ohne jeglichen Zwischenfall, die Festgäste konnten sich wohlbefriedigt nach Hause begeben.“ Wie wenig sich der noch junge Verein gerade auf Funktionärsebene konsolidiert hatte, zeigt der Bericht der Generalversammlung aus dem Frühjahr 1923. Äußerst schwerwiegend scheint da der Vermerk, dass der Versammlung keinerlei Protokollberichte aus dem Jahr 1922 vorgelegt werden konnten, da „wegen Mangel an einem Schriftführer im verflossenen Jahr nicht notiert wurde, was hoffentlich nicht wieder vorkommt“. Doch schon für das zweite Halbjahr 1923 existieren erneut keine Einträge, da wieder kein Schriftführer zur Verfügung stand. Eher geringfügig mutet hingegen die knappe Vorbemerkung an, dass keine neuen Mitglieder im vergangenen Jahr aufgenommen wurden. Die Versammlung insgesamt war recht schlecht besucht, was davon zeugt, dass sich der Verein seit dem Gründungsjahr nur unwesentlich verändert hat bzw. kaum gewachsen war. Dementsprechend verlaufen auch die Wahlen der Vorstandschaft, die „wegen Mangel an Auswahl rasch von statten“ gingen, wobei sich der Vorstand im Kern aus den bereits bekannten Namen zusammensetzte. So wurde Friedrich Bolay zum ersten und Gottlieb Duppel zum zweiten Vorsitzenden gewählt.


Die Hyperinflation des Jahres 1923 hatte auch Auswirkungen auf den Musikverein Rutesheim. Zu Beginn des Jahres 1923 wurden die Mitgliedsbeiträge des MVR von ursprünglich 50 Pfennigen für passive bzw. 30 Pfennigen für aktive Mitglieder auf unbegreifliche 1630 Mark pro Monat erhöht. Wer in den Verein eintreten wollte, musste ebenfalls 1630 Mark zahlen. Da der Geldwert zu jener Zeit täglich verfiel, kann nicht genau gesagt werden, welchen Wert 1630 Mark zu diesem Zeitpunkt tatsächlich entsprachen. Sicher ist jedoch, dass dieser Beitrag nach kürzester Zeit keinen Sinn mehr machte, da er vollkommen wertlos geworden war. Um eine Vorstellung davon zu bekommen: Im Herbst 1923 war der Wert des höchsten deutschen Geldscheines mit 100 Billionen Mark beziffert! Die Stabilisierung der Vereinsfinanzen wurde erst im Frühjahr 1924 erreicht. Der kommissarische Schriftführer Karl Schwarz berichtet davon, dass die Einnahmen des vergangenen Festes vollkommen wertlos waren, da „das ganze Geld von der Geldentwertung aufgefressen“ wurde. Der Mitgliedsbeitrag wurde dank einer stabilen neuen Währung auf 10 Pfennig reduziert. Ob die Inflation zugleich der Anlass für einen Musiker war, den Vorstand um den Verkauf des vereinseigenen Basses für 161200 Mark an ihn zu bitten mit der Begründung, jeder Musiker habe sein eigenes Instrument, kann nicht geklärt werden. Der Antrag wurde zumindest bis zu einer weiteren Sitzung aufgeschoben und dann abgelehnt. Immerhin konnte es sich der Verein leisten, einen neuen Dirigenten zu suchen, der „hoffentlich mehr Schneid hereinbringt“. Erwin Keller fasste die Wünsche der Mitglieder recht pathetisch zusammen, indem er „jedem Mitglied scharf ans Herz“ legte, „daß jeder fernerhin sich dem Verein mehr wiedmen soll und von seiner Kraft etwas hergeben, daß der Verein hochkomme“. Doch auch zwischen 1925 und 1930 hatte der Verein immer wieder mit Schwierigkeiten zu kämpfen; stellenweise scheint das Vereinsleben zum Erliegen gekommen zu sein. Erwin Scheck hierzu: „Vorstand Bolay gab einen kurzen Bericht über die Arbeit im letzten Jahr man konnte daraus ersehen, daß gar nichts gearbeitet worden ist“. Das betraf auch den Musikbetrieb; nur selten kamen in dieser Zeit Proben zustande. Dies war wohl noch eine Folge der Abwanderung einiger Musiker zur Lyra Eltingen, die in Rutesheim führende Stimmen inne hatten. Um die Disziplin zu erhöhen, wurde beschlossen, dass alle 14 Tage ein auswärtiger Dirigent kommen solle, „und daß dieser dem Verein nicht zu teuer kommt, wird bei der Feuerwehr nachgefragt, ob sie nicht etwas beisteuert“. Zudem ist immer wieder ist von ausbleibenden Vereinsbeiträgen der Mitglieder die Rede, was den Finanzen des Vereins deutlich zusetzte. So forderte Eugen Keller, „dass einmal richtig Ernst gemacht wird“. Es wurden alle bekannten Mitglieder gefragt, ob sie noch mitmachten, und falls ja, wurden sie dazu aufgefordert, ihre Beiträge zu bezahlen. Wie knapp das Geld war, wird durch einen Eintrag vom 5.10.1926 deutlich: Sogar für neue Noten war nichts vorhanden, sodass während einer Versammlung ein Hut herumgelaufen lassen wurde, „und siehe da, bare zehn Mark waren da“. Auch sollte weiterhin über Feste wie etwa das Waldfest Geld eingenommen werden: „der Vorstand meinte man müsse etwas unternehmen indem die Kasse verdamd leer wird u. der Kassier schimpft wie ein Rohrspatz“. Für den Zeitraum zwischen dem April 1927 und dem August 1930 gibt es leider keinen einzigen Eintrag; im vorliegenden Protokollbüchlein klafft hier eine große Lücke. Vermutlich lag das wieder am „Mangel an einem Schriftführer“, zumindest existiert für das Jahr 1928 ein Bild des Orchesters. Immerhin spricht der erste Eintrag nach der größeren Lücke davon, dass „allgemein der Wunsch geäußert [wurde], die Musikkappelle zu neuem Leben zu Erwecken“, um „die Sache endlich einmal zum Blühen u. Gedeihen zu bringen“.

Wie ernst es den Mitgliedern um die Wiederbelebung des MVR war, zeigt ein Eintrag vom 12.9.1930: Demnach war der Kassier bei der Versammlung nicht anwesend, was „dann noch scharf kritisiert [wurde],…,was auch zu Recht geschehen ist, den wenn es der ganze Ausschuss so machen wollte, dann würde es in den Versammlungen übel aussehen“. Später wurde er dann durch Peter Seible ersetzt. Es handelte sich nun um einen richtigen Neuanfang, denn es konnten „ziemlich viel neue Mitglieder…was sehr erfreulich ist“ verzeichnet werden. 1931 trat der MVR überdies in den Verband Alt-Württemberg ein. Im selben Jahr erhielt der MVR einen neuen Dirigenten namens Rommetsch. Sein Gehalt betrug 10 Mark pro Abend; eine Mark davon schenkte er dem MVR, da der Verband seine Unterkunft zahlte. Rommetsch war zuvor Wachtmeister beim Trompeterchor des Reiter-Regiments 18. Die militärische Herkunft machte sich schnell bemerkbar: „Wir sind mit Herrn Rommetsch sehr zufrieden, u. müssen fleissig proben auch hat Derselbe wieder Schneid hereingebracht so daß jetzt ein frischer Wind bläst u. alles recht Begeistert ist u. ich glaube wenn wir Ihn noch lange haben, daß wir dann den Musikverein endlich zu dem machen was er eigentlich sein soll, zu einem Träger der Kultur, u. einer Pflegestätte der schönen Künste, u. des geselligen Lebens“. So konnte in Untertürkheim bei einem Marschmusik-Wertungsspiel in strömendem Regen ein erster Platz errungen werden. Desweiteren wurden immer wieder Feste veranstaltet, wie etwa das Herbst- oder Frühlingsfest. Ausflüge wurden zu einem festen Bestandteil des Vereinslebens. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 25 Pfennig erhöht, „was angesichts der schlechten Wirtschaftslage genügend ist“. Überhaupt weisen die Einträge nun keine Lücken mehr auf. Nahezu jedes Ereignis findet sich gut dokumentiert in den Schriftstücken wieder. So konnte auch die 10-Jahres-Feier in Angriff genommen werden, „der Ort ist Schön geschmückt u. überall werden noch Girlanden und Fähnchen an den Häusern angebracht um das Bild noch zu verschönern“. Am Samstag den 27. Juni 1931, wurde das Programm vom Musikverein Rutesheim und vom Sängerbund Rutesheim dargeboten. Der Sonntag begann mit einem großen Festumzug samt Wertungsspiel. Am Abend folgte eine Tanzveranstaltung, die bis nachts um 1 Uhr andauerte, „wo das Auge des Gesetzes dem lebhaften Treiben ein Ende machte“. Am Ende des Jahres urteilt der Schriftführer Karl Mayer zufrieden, „daß unsere kleine Musikschar eine sehr Leidenschaftliche ist, die mit aller Energie dabei ist“.

Die positive Entwicklung des Vereins erfuhr durch den Regierungsantritt der NSDAP im Januar 1933 und die bald folgende Gleichschaltung einen herben Dämpfer. Vorstand und Ausschuss wurden fortan von der Partei mitbestimmt, ein Ausschussmitglied musste aus dem nationalsozialistischen Gemeinderat gestellt werden und nicht zuletzt hatte das Orchester auf Parteiveranstaltungen zu spielen. Fundamentale Werte eines Vereinslebens wie Eigeninitiative und Selbstorganisation wurden durch Staatsdirigismus und Hierarchie ersetzt. Für den Musikverein Rutesheim, der wie gezeigt in den Anfangsjahren immer ums Überleben kämpfte, bedeutete das noch vor dem Krieg das endgültige Aus. Schon 1934 wurden Musik-, Gesangs- und Sportverein zu einem großen Verein zusammengeschlossen - entgegen dem Votum der abstimmenden Vereinsmitglieder. Die folgenden gemeinsamen Veranstaltungen waren „durch einige Missverständnisse“ geprägt. 1937 folgte dann das endgültige Aus: Am 1. Mai spielte der MVR auf einer Parteiveranstaltung. Nach einem Musikstück brach der Dirigent Wilhelm Kruck schlagartig ab und die Musikanten versammelten sich zu einem Umtrunk in ihrem Probelokal. Da sie die Veranstaltung quasi gesprengt hatten, am gemeinsamen Mahl nicht teilgenommen hatten und sich die Nazis zudem über die traditionellen rosa Hemden und weißen Hosen der Musikanten geärgert hatten, wurden sie umgehend von Parteimitgliedern und Angehörigen der SS aufgesucht. Diese zettelten sofort eine Schlägerei an, und am nächsten Tag mussten alle Musikanten – darunter Minderjährige – zum Rapport auf das Rathaus. Die Gemeindeverwaltung zwang den Dirigenten zur Aufgabe, strich dem Verein die Zuschüsse und entzog ihm somit die finanzielle Grundlage. So kam es, dass „eine Interessenlosigkeit zutage trat, welche nicht gut ist für einen Musikverein“ und „so gezwungen dahingelebt“ wurde. Nicht zuletzt wurden sämtliche Musikinstrumente eingezogen und auf dem Dachboden der Schule eingelagert. Dort lagen sie jedoch nicht lange. Adolf Schlitter erinnert sich noch heute, „wie wir Nacht für Nacht auf den Dachboden gestiegen sind und ein Instrument nach dem anderen geholt haben. So konnten wir wenigstens zu Hause etwas musizieren; Privatinstrumente wurden ja nicht abgenommen. Innerlich hat uns das sehr geholfen“. Ab und an wurde in der Folgezeit wieder geprobt, allerdings bestanden die Musikanten auf „ihre“ rosa-weiße Uniform. So wurden auch sämtliche Bitten der NSDAP, auf Ihren Veranstaltungen zu spielen, abgelehnt. Diese war nun gezwungen, regelmäßig auswärtige Kapellen nach Rutesheim zu holen. Die wenigen verbliebenen Musikanten erreichte im Herbst 1939 während einer gemeinsamen Probe der Stellungsbefehl; mit Kriegsbeginn endet somit die Geschichte des Musikvereins Rutesheim für ein knappes Jahrzehnt.